Aktuelle Meldung
Von Engeln und Menschen
Der kleine und der große Engel waren gemeinsam unten auf der Erde bei den Menschen unterwegs, um mehr zu lernen. Gerade jetzt, kurz vor Weihnachten, sei eine hervorragende Zeit dafür, hatte der Chef gesagt.
Müde und erschlagen von den vielen Eindrücken, denn die beiden Engel waren noch nicht oft unter den Menschen gewesen, liefen sie durch die Dunkelheit auf der Suche nach einem Schlafplatz für die Nacht. Es war sternenklar, aber die Sterne waren kaum wahrzunehmen, hatten sie doch ernstzunehmende Konkurrenz von den vielen, vielen festlich beleuchteten Vorgärten und Fenstern.
"Sieht gemütlich aus", freute sich der kleine Engel am Anblick der blinkenden Sterne und Figuren. "Aber die Menschen, die hier drin wohnen, haben doch eigentlich gar nichts davon, weil es ja draußen leuchtet, wenn es dunkel ist und dann sind sie ja drinnen. Also verstehe ich das nicht wirklich", schüttelte der große Engel den Kopf.
"Ja, aber vielleicht möchten die Menschen hinter all diesen Türen anderen eine Freude machen, ihnen zeigen, dass man hier willkommen ist, wie eine Art Aushängeschild und Hinweis auf Gastfreundlichkeit. Kann doch sein, oder?" "Hmh, dann haben wir ja die große Auswahl, wenn es um einen Schlafplatz für heute Nacht geht." Sie liefen noch ein Stückchen weiter, schauten sich um und beschlossen dann, dass sie nun eine Unterkunft suchen würden, um sich ein wenig auszuruhen. Dazu muss man wissen, dass Engel, obwohl sie für uns unsichtbar sind, auch schlafen müssen, wenn sie müde sind. Sie schnarchen nicht und schlafen auch nicht unbedingt so, wie wir es kennen, es ist eher ein ausruhen oder dösen. Und am allerliebsten dösen sie eben neben schlafenden Menschen, weil Müdigkeit nun einmal ansteckend ist und es sich so viel leichter dösen und ruhen lässt, als in einer lauten und unruhigen Umgebung.
"Komm, hier versuchen wir es, das sieht sehr gemütlich aus", rief der kleine Engel und prallte gleich darauf an der massiven , weißen Holztür ab." "Was machst du denn da, Kleiner? Weißt du nicht mehr, dass wir Engel einfach durchfliegen können? Einfach ein bisschen Flügelgas geben und dann klappt das schon!" Bumms! - da lag auch der große Engel und der Kleine feixte (auch wenn der Chef Feixen und ähnliche kleine und große Gemeinheiten gar nicht gerne sah):" Na, vom Gas gerutscht?"
Gemeinsam versuchten sie es noch mehrere Male, aber sie prallten immer wieder ab, konnten nicht durch die Tür gelangen. Nun waren sie ja auch noch blutige Anfänger, waren erst einmal mit älteren und erfahreneren Engelkollegen unter Menschen gewesen. Was hatten sie vergessen, gab es einen Trick, der einem Einlass gewährte? Hätten sie doch bloß besser aufgepasst. Sie versuchten es noch bei einigen anderen Häusern, aber überall das Gleiche. Müde und frustriert trippelten sie immer noch durch die Dunkelheit. Eigentlich wollten sie schon aufgeben und sich einen Platz in einem der offenen Carports suchen, aber am Ende der so festlich geschmückten Straße stach ein kleines Haus förmlich heraus. "Schau mal, Großer, die wollen scheinbar niemandem eine Freude machen, hier ist alles dunkel." "Vielleicht wohnt hier ja keiner mehr, versuchen wir es hier einfach noch ein letztes Mal!" Der kleine und der große Engel stellten sich in Position, gaben gemeinsam Vollgas und kniffen schon vor der Tür die Augen zusammen in Erwartung des Aufpralls. Stattdessen glitten sie sanft und unproblematisch durch die geschlossenen Tür und kamen in einer gemütlichen, kleinen Küche zum Stehen. "Ups, was war das denn?" freute sich der große Engel, während der kleine vor Erstaunen auf seinem Popo mitten in der Küche saß und sich umschaute. Es wirkte alle zweckmäßig, aber trotzdem gemütlich und der Ofen in der Stube gab noch immer ein wenig Wärme ab."Psst! Hier schläft schon jemand!" "Hä?, wieso hier in der Küche, gibt es hier kein Schlafzimmer?", schaute sich der kleine Engel neugierig um und erblickte im nächsten Augenblick vier kleine und drei größere Schüsseln, die auf dem Boden standen. " Ok, und sie essen nicht am Tisch!" "Dummi!", schmunzelte der große Engel, der schon etwas öfter unterwegs gewesen war, " das sind Näpfe. Schau mal, da liegen schon drei Hunde und zwei Katzen. Hier sind Tiere zu Hause."
Nach einem kurzen Rundgang nahmen sich die beiden Engel ihre Rast und dösten eine Weile still vor sich hin. Es war noch dunkel, als es geschäftig wurde. Die Menschen in dem kleinen Häuschen erwachten. Ihr Tag fing an. Die Engel erwarteten nun, dass die Menschen sich nach dem Aufstehen und Waschen und Zähneputzen an den Frühstückstisch setzen würden, so wie sie es von älteren Engeln erzählt bekommen hatten. Stattdessen setzte schnell eine Betriebsamkeit ein, die für die beiden Engel sehr interessant war. Da wurden Näpfe gefüllt mit Futter und auch mit Wasser, es wurden Körnermischungen angerührt und nachdem alle Tiere im Haus versorgt waren, ging es hinaus in den kalten und noch dunklen Morgen. Erst jetzt sahen die beiden Engel, dass dort hinten im Garten ein Stall stand, der das Haus sogar fast überragte. Pferde, Schafe, zwei Schweine und eine größere Hühnerschar waren hier zu Hause und man meinte, jedes Tier riefe auf seine Art den Menschen ein freundliches "Guten Morgen" zu. Es waren vorwiegend ältere, betagte Tiere, die hier gemeinsam den Tag begannen, indem sie zufrieden ihr Frühstück futterten. Im Anschluss wurden noch alle draußen aufgestellten Häuschen und Näpfe mit Futter und Wasser bestückt und kurze Zeit später sahen die Engel schon die ersten Vögel dort landen. Nachdem alle Tiere versorgt waren, hatten die Menschen Zeit, sich selbst etwas zu essen zu machen und zu frühstücken. Sie saßen zusammen am Tisch und sprachen nicht viel, aber die Engel konnten spüren, dass es nicht diese Sprachlosigkeit war, die manchmal zwischen dem kleinen und dem großen Engel herrschte, wenn sie sich gestritten hatten und keiner den ersten Schritt gehen wollte. Es war vielmehr eine Vertrautheit und Zufriedenheit zu spüren, die sehr angenehm auf die beiden wirkte. Sie fühlten sich wohl hier und obwohl es laut war, wenn die Hunde bellten oder die Katzen sich gegenseitig jagten, schien es den Engeln nicht wie der ihnen bekannte Lärm, der sonst oft an beginnenden Morgenden immer mehr aufkommt. Interessiert verfolgten sie, dass einer der Menschen zur Arbeit ging und der andere weiter geschäftig in Haus und Garten und Stall zu tun hatte. Es wurde geputzt, repariert, Medikamente gegeben und auch gestreichelt und gepäppelt. Obwohl der Mensch allein war, plapperte er zwischendrin immer wieder freundlich mit den Tieren, die zwar nicht in der Menschensprache antworteten, aber so schauten, als stimmten sie zu und hätten verstanden. Zwischendrin fluchte der Mensch auch mal oder wurde laut, besonders dann, wenn er ins Telefon sprach. Und Abends dann, als der zweite Mensch wieder zu Hause war, sahen die Engel ihn auch kurz weinen.
Der Tag endete, wie er begonnen hatte, die Tiere bekamen zu essen und als alles erledigt war, gingen auch die Menschen in ihr Bett. Und für die Engel war es Zeit, wieder zurückzukehren, der Chef hatte bereits mahnend gerufen, dass sie ihre Zeit nicht vergessen sollten.
Wieder zurück, wollte der Chef wissen, was der kleine und der große Engel zu erzählen hatten. Alle drei saßen zusammen und schauten von oben auf die Straße hinunter, die wieder hell erleuchtet strahlte, bis auf das kleine Haus am Ende der Straße.
"Und, was habt ihr mitgenommen?", wollte der Chef nun wissen.
"Wir haben nette Menschen dort unten getroffen, aber auch viele, die sich nicht richtig ansehen und einiges auch gar nicht wirklich sehen. Sie beleuchten alles, machen alles hell und einladend, sind dann aber doch allein und drinnen ist es trotzdem dunkel. Sie reden viel, aber verstehen wenig. Und das ist schade" berichtete der große Engel.
Und der kleine fügte nachdenklich hinzu:" Und die, die wirklich sehen, tun das nicht mit ihren Augen, sondern mit dem Herzen, aber das ist nicht gleich zu merken. Dazu muss man sie erst näher kennenlernen."
Der Chef schien zufrieden mit den beiden zu sein. Der kleine und der große Engel waren schon fast aus der Tür heraus, als der Chef sie nochmal zurückrief. " Ich möchte euch noch etwas zeigen. Schaut mal, dort unten, das kleine Haus. Was seht ihr, wenn ihr genau hinseht?" " Dass es das einzige Haus ist, was nicht außen leuchtet, so wie die anderen, ist doch klar", bemerkte der Große etwas altklug. " Genau hinsehen", mahnte der Chef geduldig und nach einer Weile rief der kleinen Engel:" Ich sehe es, das leuchtet ja innen drinnen! Wo kommt das denn her?"
"Lichter können hell und strahlend sein, aber nichts leuchtet beständiger, als ein Herz, das wirklich eines ist. Merkt euch das, ihr zwei, damit habt ihr eine ganz wichtige Lektion gelernt."
Kristina Schnoor von kettenlos
Am heutigen vierten Advent wünschen wir Ihnen und euch einen ruhigen und besinnlichen Tag. Und denken im Besonderen an die Menschen mit leuchtendem Herzen, egal ob für Tiere oder Menschen. Danke, dass es euch gibt!