unterwegs vom 16. bis 19.11.2016
Unsere Fahrt nach Tatabánya startet am 16. November. Ich habe alles gepackt und wie bei jeder Fahrt das gleiche Problem: Erst habe ich das Gefühl noch sehr viel Zeit zu haben und dann plötzlich verfalle ich in hektisches Zusammensuchen meines Gepäcks.
Aber nun sitze ich im Auto, die Hektik verschwindet und ich konzentriere mich auf die Straße. An der Raststätte Ahlbeck bei Neumünster treffe ich Michael, unseren Mitfahrer.
Michael hat viele Spenden von der Tierhilfe Neumünster e.V. mitgebracht. Jedes einzelne Stück hilft den Tieren in Tatabánya. Alles macht ihnen das karge Leben ein klein wenig erträglicher. Unsere Tierschutzkollegen in Ungarn freuen sich wie wir über diese Geschenke.
Schnell ist auch Michaels Gepäck untergebracht und wir beide machen uns auf den Weg, um Rita von zu Hause abzuholen. Auch ihr Gepäck landet noch in einer kleinen freien Ecke im Transporter. Viel Platz haben wir nicht mehr, denn die Ladefläche ist wieder voller Spenden für das Tierheim.
Wir kommen zügig voran. Es regnet von unserem Start bis zum Ankommen in Tatabánya. Aber wir sind bester Laune und lassen uns davon nicht aufhalten.
Gegen 23 Uhr kommen wir in der Pension an und fallen auch gleich müde ins Bett. Das Frühstück haben wir für 9 Uhr am nächsten Morgen angesetzt. Erstmal schlafen.
Frisch gestärkt machen wir uns nach dem Frühstück auf den Weg Richtung Tierheim. Wie immer werden wir herzlich begrüßt. Unser erster Weg führt uns dann zu den Hunden. Wir schauen in die Zwinger. Viele sind leer. Die Hunde sind draußen.
Lilla führt uns zu einem kleinen, schwarzen, kranken Hund. Er liegt auf einer Wärmedecke. Und im gleichen Moment wird uns klar, dass der kleine Mann nicht mehr lebt. Er atmet nicht. Lilla ruft Eva herbei und die beginnt sofort mit einer Herzmassage und Mund-zu-Mund-Beatmung. Aber alles ist vergebens. Uns laufen die Tränen. Die gute Stimmung ist vorüber und Traurigkeit macht sich breit. Wir wissen nichts über diesen kleinen Hund, wir wissen nicht, warum er ins Tierheim kam, wir kennen nicht mal seinen Namen. Wir wissen nur, dass dieser kleine schwarze Kerl sich auf den Weg gemacht hat und wir glauben fest, dass es ihm nun besser geht, dort, wo er ist.
Wir gehen wieder in den Eingangsbereich des Tierheims und dort ist der nächste Notfall eingetroffen. Eine wunderschöne rot-braune Hündin steht dort. Ängstlich schaut sie sich um. Sie weiß nicht, was ihr geschieht. Sie schaut uns an und wir schmelzen dahin. Und schon wieder habe ich mich verliebt. Ich verbringe den Vormittag mehr oder weniger nur damit, diese Hündin zu streicheln. Langsam fasst sie Vertrauen und beginnt, die Zärtlichkeiten zu genießen.
Lotti heißt die hübsche Hundedame. Sie ist noch jung. Eva und Szilvie haben sie aus ihrem Zuhause geholt, weil die Haltung dieser Hündin grausam war. Eingepfercht in einen winzigen Verschlag vegetierte sie dahin. Nun soll sich ihr Leben ändern.
Wir verbringen den weiteren Tag damit, die Hunde zu fotografieren und Informationen zu sammeln. Die gleiche Arbeit, die bei jeder Reise nach Ungarn für uns auf dem Plan steht. Dann laden wir unser Auto aus. Ein großer Berg von Spenden liegt aufgetürmt vor dem Tierheim, von wo alles in den entsprechenden Räumen untergebracht wird.
Wie immer ist der Tag viel zu kurz und nach einem gemütlichen Essen fallen wir schon wieder müde ins Bett.
Für Freitag hat sich ein Spender aus Balingen angekündigt, der auf unsere Arbeit in Tatabánya aufmerksam wurde. Wir treffen uns im Tierheim. Auf das Gelände rollt ein VW-Transporter mit Anhänger, beide gefüllt bis unter das Dach. Besondere Begeisterung lösen die Kappsäge und die Tischkreissäge aus. Solche Maschinen können natürlich im Tierheim immer gut gebraucht werden. Oft genug muss hier und dort repariert, erneuert und gebaut werden. Eine Führung durch das Tierheim und der Austausch von Informationen überzeugen den sehr engagierten Herrn von der Arbeit für die Tiere.
Eva fährt mit dem Auto vor das Tierheim. Mitgebracht hat sie einen großen Hund, der offensichtlich angefahren wurde. Etwas Blut tropft aus seiner Schnauze. Im Behandlungszimmer wird er untersucht. Er hat nur leichte Verletzungen. Nach dem Auslesen des Chips wird der Halter festgestellt und der Besitzer unterrichtet. Diese Geschichte ist noch mal gut ausgegangen.
Wir bereiten die Transportboxen für die Abfahrt am nächsten Morgen vor. Die Plätze für die Hunde werden mit Decken ausgelegt, Wassernäpfe werden angebracht.
Der Tag klingt aus mit einem Essen bei der Tierheimleiterin zu Hause. Eva hat wie immer sehr lecker gekocht. Irgendwie ist das inzwischen zu einer lieben Gewohnheit geworden. Wir genießen das Essen und beschäftigen uns nebenbei mit den vielen kleinen Hunden, die bei Eva zu Hause herumwuseln. Einmal möchte der eine auf den Schoß, einmal der andere. Gerne kommen wir der Aufforderung der Vierbeiner nach. Besonders beobachten wir den kleinen Nero, der so sehr krank war. Langsam hat er sich erholt und läuft noch ein wenig unsicher zwischen den kleinen Artgenossen herum. So ganz gesund scheint er immer noch nicht zu sein. Die Untersuchungen dauern noch an und sind teuer und aufwendig. Noch gibt es keine gesicherte Diagnose. Eine weitere Laboruntersuchung soll Klarheit bringen.
Im Hotel schauen wir die Pässe der Hunde durch. Alles bestens. Wir fallen ins Bett mit dem Gedanken: Schade, schon wieder ist die Zeit um und wir müssen wieder nach Hause.
Nach dem Frühstück werden die Hunde aus Harkany gebracht. Wir freuen uns, die so engagierten Leute aus dem Tierschutz dort zu treffen. Man kennt sich inzwischen und es entstehen, wie schon länger in Tatabánya, auch hier nette Freundschaften.
Wir holen unser Gepäck und packen alles etwas wehmütig in den Transporter. Die Zeit geht immer viel zu schnell vorbei.
Wir fahren ins Tierheim Tatabánya, um dort unsere Passagiere abzuholen. Alles ist schon vorbereitet und läuft routinemäßig ab. Die Chips werden ausgelesen und mit den Angaben im Pass verglichen. Alles, wie immer, völlig problemlos. Die Hunde werden zum Auto gebracht und wie immer frage ich mich, was wohl in den Köpfen vorgeht. Was mögen die Hunde denken? Wie groß ist die Angst? Sie wissen ja nicht, was auf sie zukommt. Sie spüren die Aufregung und nun wird sich innerhalb einiger Stunden ihr Leben völlig ändern.
Der erste Hund verlässt das Auto in der Nähe von Würzburg. Bis dahin können wir durchfahren. Wir rollen auf den Parkplatz und staunen nicht schlecht. Da steht ein Auto mit einem großen Plakat hinten im Fenster: „Wir warten auf Chanel von kettenlos“. Das zaubert uns sofort ein Lächeln ins Gesicht. So sind wir noch nie begrüßt worden. Wir sind immer wieder begeistert, wie liebevoll die Übernehmer das erste Zusammentreffen mit den Hunden vorbereiten. Hier wird uns schon eine warme Decke für den Hund hingehalten. Die Übernehmer strahlen und sind voller Spannung. Die Freude ist allen anzusehen.
Alle Hunde werden in dieser Nacht in ein neues Zuhause ziehen und ihr Leben wird sich nun verändern. In Gedanken bin ich wieder bei Lotti. Ich hätte sie so gerne mitgenommen. Ich habe ihr versprochen, ganz schnell ein Zuhause für sie zu finden. Ich möchte so sehr, dass diese Hündin nicht lange im Tierheim bleiben muss. Ich werde alles daransetzen, damit sie so schnell wie möglich mit in den Transporter steigen darf.
Die Fahrt verläuft ohne Stau, ohne Probleme. In Neumünster steigen Rita und Michael aus. Ab nun bin ich auf dem letzten Stück der Fahrt alleine.
Hinten sitzen noch zwei Hunde. Felix und Buksi leisten mir noch Gesellschaft. Beide steigen in Tarp aus. Felix ist noch jung und eher klein. Buksi dagegen ist ein Riese. Im Tierheim nannten sie ihn „das Mammut“. Wir hatten immer das Gefühl, wenn Buksi mit der Rute wedelte, wackelte das Auto.
Ich werde schon erwartet. Beide neuen Hundebesitzer warten schon. Buksi, das Mammut, hat seinen Reiseplatz hinten im Transporter in einer riesigen Box. Ich nehme eine Leine und öffne die Box, befestige die Leine am Geschirr und bitte das neue Herrchen, die Leine festzuhalten. Ich bin mir sicher, dass ich kräftemäßig nicht in der Lage sein werde, Buksi festzuhalten, falls er zu schnell aussteigt. Unser Riese steigt aus, streckt sich und schaut sich um, um sich dann erstmal nach der langen Fahrt zu erleichtern.
Herrchen steuert mit Buksi zielstrebig auf sein Auto zu. Auf der Beifahrerseite steigt Buksi in den Sportwagen, um sich dann gleich auf den Fahrersitz zu schieben. Der Anblick entschädigt für die lange Fahrt. Das Mammut schaut über das Lenkrad und wartet, dass es nun bitteschön endlich nach Hause geht. Es bedarf einiger Kräfte, den Riesen vom Fahrersitz zu entfernen.
Gegen 2 Uhr in der Nacht bin ich zu Hause. Das ist eigentlich noch eine ganz annehmbare Zeit. Es war sonst schon deutlich später. Am Morgen muss ich wieder für einige Stunden auf dem Hundeplatz sein. Aber ich liege ja noch gut in der Zeit.
Ich freue mich auf meine nächste Fahrt und werde nun erstmal alles daransetzen, ein tolles Zuhause für Lotti zu finden.
Edith Kniehase