Bio reicht doch!?
7 Tage auf einem Biohof - ein Erfahrungsbericht
Meistens freue ich mich auf den Urlaub.
Dieses Jahr fuhr ich mit gemischten Gefühlen los. Dabei hatte ich das Ziel aufgrund des Tipps einer Bekannten selbst ausgesucht und gebucht. Wir suchten einen Ort, an dem jedes Familienmitglied auf seine Kosten kommt und alle etwas vom Urlaub haben. Das war die Überlegung im Sommer 2013.
Also war wichtig, dass die Hunde willkommen sind (und nicht nur geduldet), den Kindern (3 und 6 Jahre) etwas geboten wird und mein Mann und ich auch mal zwischendurch abschalten können. Da kam dieser Tipp gerade recht: ein Biobauernhof im Sauerland. Tiere, Erlebnisse für die Kinder, ein wenig freie Zeit für die Eltern, Wanderwege in hügeliger Umgebung.
Wunderbar, es war für uns alle sehr ansprechend, also wurde eine Woche für Juni 2014 gebucht. Und das Thema Urlaub 2014 verschwand erst einmal aus meinem Kopf. Abgehakt. Man muss sich ja um so viele Dinge kümmern…
Plötzlich war der Sommer da und ich hatte ein Problem, denn im August letzten Jahres hatte ich mich vom Fleischkonsum verabschiedet und kurz darauf verschwanden auch Käse und Co. von meinem Speisezettel.
Eine Laktoseintoleranz hatte ich eh schon seit vielen Jahren (woher wohl…?) und letztendlich ist es eh nur ein kleiner Schritt hin zur veganen Ernährung. Problematisch war das nicht, nur unqualifizierte Kommentare oder unverständliche Blicke gingen mir auf die Nerven.
Jetzt aber, zur schönsten Zeit des Jahres, war ich im Konflikt mit mir selbst. Konsequenterweise hätte ich den Trip absagen müssen. Dafür war es zu spät.
Meine Kinder freuten sich außerdem wie verrückt auf den Urlaub und einen Ehekrach wollte ich auch nicht heraufbeschwören. Also nahm ich mir vor, unvoreingenommen loszufahren. Schließlich gelten für Biohöfe gewisse einzuhaltende Standards. Vielleicht würde mein leichtes Unbehagen ja verschwinden.
Der Hof liegt wirklich in einer wunderschönen Gegend im Hochsauerlandkreis. Wir kamen an und ich war beeindruckt von dem herrlichen Grundstück mit diversen kleinen Häuschen, großen alten Bäumen und den verschiedenen geschlängelten Wegen, die zu diesen und den Stallungen führen.
Gleich nach dem Abladen erblickte mein Sohn einen Trecker. Auf dem Weg dorthin erblickte ich wiederum die etwas älteren Kälber. 10 Stück, sie standen abseits der anderen Tiere und schauen uns zu. Ein paar von ihnen kamen gerne nach vorne und hielten den Kopf zum Streicheln hin und leckten unsere Hände.
Die Kids waren glücklich und rannten dann froh weiter zum Trecker. Ich blieb noch ein wenig bei den Tieren. Sie standen unter Dach auf einer Fläche von ca. 15m x 5m und nicht in Boxen festgehalten.
Darüber war ich zuerst erleichtert, was sich nach zwei Tagen änderte, denn diese Kälber sind in diesen 7 Tagen nie dort rausgekommen. Nicht zu anderen Tieren und nicht auf eine Weide. Zwar waren sie sauber und gut genährt untergebracht, aber die einzige Abwechslung waren die Kinder, die zum Streicheln kamen und die tägliche Fütterung.
Ich beobachtete, wie sie sofort zuschauten, wenn andere Urlauber über den Hof schlenderten oder sich irgend etwas in Sichtweite tat. Ihre Neugierde konnten sie nur leider nicht ausleben.
Nun gab es ja auch noch viele andere Tiere auf dem Hof. Der Hof beinhaltet den Zweig Tourismus / Urlaub für Familien sowie den Zweig Milchwirtschaft. Die Milchkühe – ca.150 an der Zahl – werden jeden Tag auf die Weide gelassen. Und die Urlauber treiben sie wieder in den Stall. Das ist für die Kinder wirklich ein wunderbares Erlebnis und ein tägliches Highlight gewesen.
Ich war nur einmal mit und das auch nur von fern, denn ich war unterwegs und meine Hunde dürfen nicht auf Kuhweiden. Aber mein Mann und die Kinder berichteten natürlich immer vom Kühetreiben.
Es läuft immer so ab, dass alle (Kinder und Erwachsene) mit einem kleinen Stock versorgt werden, denn einige Kühe können auch ganz schön stur stehen bleiben (kein Wunder, auf der Weide ist es wohl angenehmer).
Die Urlaubsgäste werden zur Weide gefahren mit einem Planwagen, abgeladen – und dann geht es los. Glücklicherweise wissen die Kühe schon, dass sie sich nun auf den Rückweg machen sollen, und die meisten trotten los. Was mir jedoch gar nicht behagte, war der Umstand, dass die Kinder mangels Verständnis, Reife und Erfahrung teilweise viel zu grob mit dem Stock umgegangen sind. Innerlich empörte ich mich schon wieder. Zumal ich auch drei Kühe gesehen hatte, die humpelten und nur sehr mühsam vorankamen.
Von der Weide geht es dann also für die Kühe gleich in den Melkstand. Wie das so ist: Sie kennen den Weg, alles öffnet sich automatisch. Euter sauber wischen, Melkgeschirr ansetzen. Nach dem Melken öffnen sich wieder die Sperrgitter und die Kühe verlassen selbständig den Melkstand und gehen in den Stall. Und dann ist die nächste Ladung zu melkender Kühe dran.
Gut war, dass man bei diesem ganzen Ablauf zuschauen konnte. Wir haben auch 1 x frische Milch mitgenommen, aber meine Kinder konnten sich damit überhaupt nicht anfreunden – obwohl sie sonst gerne „Milch“ trinken. Die behandelte aus der Kühltheke…
Darüber habe ich mich innerlich gefreut, denn es hat gezeigt, dass Kuhmilch einfach kein Lebensmittel für Menschen ist! Mir ist in Erinnerung geblieben, wie eine Kuh während des Melkens sehr lange und immer wieder den Kopf an ihre Nachbarin gelegt hat. Das ist auch fast das einzige Bild, welches ich gemacht habe. Ich bitte die schlechte Qualität zu entschuldigen, ich fühlte mich nicht wohl dabei, denn es war wohl doch aufgefallen, dass ich dem ganzen Betrieb etwas skeptischer gegenüberstehe als die anderen Urlauber.
Zu den Urlaubern: Viele kommen aus den größeren Städten. Vielfach hatte ich den Eindruck, dass verhätschelte Kinder „nun mal die Natur kennen lernen sollen“. Mindestens 5 Kinder dort hatten Angst vor Hunden und viele andere auch keinerlei Gefühl dafür, dass man sich Tieren generell behutsam nähern sollte.
So wurden die Kaninchen manchmal einfach gegrapscht und auf dem Schoß festgehalten. Da schaute sogar meine Tochter etwas irritiert.
Die Kaninchen übrigens werden zum Winter verkauft und im Frühjahr kommen wieder neue auf den Hof. Es lohnt sich nicht, die Nager durchzufüttern… Neben den Kühen und Kaninchen gibt es auf dem Hof Ziegen, Schweine, Ponys und Hühner.
Die Hühner haben viel Fläche, Freilauf auf Rasen und auch Gelegenheit zum Scharren. Als Haus dient das Hühnermobil, zu dem sie freien Zugang nach Belieben haben. Die Hühnerhaltung im Sinne von Freilandhaltung ist in Ordnung.
Für meine Tochter waren die Ponys mit das Schönste bzw. der Umgang mit ihnen. Striegeln, Bürsten, Stall ausmisten….wenn sie das zuhause nur auch so gerne machen würde!
2x fand geführtes Reiten statt. Unter der Woche konnten die Urlaubsgäste aber auch „freie“ Ponys reiten. Hier finde ich bedenklich, dass jeder zu schnell an die Tiere rangelassen wird, ggf. ohne ausreichende Kenntnisse. Zwar gab es eine kurze Einführung zu Urlaubsbeginn, aber mir hätte das nicht gereicht, um mit den Kindern und einem Pony loszuzockeln.
Tja, wird der Biohof nun seinem Namen gerecht? Der Urlaub dort ist für Familien – besonders natürlich die Kinder – schon ganz prima, wenn man nicht genau hinschaut. Natürlich ist es schön, wenn Kinder Zeit mit Tieren verbringen können. Die Tiere dort waren auch sehr geduldig und wenig übelnehmerisch. Trotzdem werden alle in den Dienst des Menschen gestellt und das bereitet mir nun mal Unbehagen.
Und die Biohaltung der Kühe: Ja, sie sind jeden Tag auf der Weide. Aber der Weidegang hält meist nur für max. 3 Stunden an, weil dann wieder Melken auf dem Plan steht. Das hat mich enttäuscht. Letztendlich ist es nur die Tatsache, dass ein spezielles Futter gefüttert wird und der tägliche Weidegang, um das Label „Bio“ zu erhalten. Wie lange die Kühe wirklich draußen sind, scheint nicht so wichtig zu sein.
Das bleibt mir im Gedächtnis ebenso wie der Abtransport von 4 Kälbern. Meine Kinder dachten, die kommen auf einen anderen Hof. Aber es war der Weg zum Schlachter und dieser Weg und dessen Ende ist für alle "Nutztiere" gleich schlimm, egal ob „Bio“ oder nicht.
Und deshalb kommen tierische Erzeugnisse für mich nicht mehr in Frage.
Eure Laura Pape